Beim Blick in den "Spielplan" ist uns kürzlich aufgefallen, dass der FC Bayern ab heute an der Klub-WM in Katar teilnimmt.

Fans sind zwar weiterhin kein Teil des aktuellen Fußballs, nichtsdestotrotz finden wir dies eine gute Gelegenheit, um euch - ziemlich genau ein Jahr nach unserer Veranstaltung "Katar, Menschenrechte und der FC Bayern - Hand auf, Mund zu?" im EineWeltHaus - darüber zu informieren, was sich seitdem getan – oder auch nicht getan hat.

Hauptbestandteil der Veranstaltung vom 16. Januar 2020 war eine Podiumsdiskussion mit zwei Wanderarbeitern ("migrant workers") aus Nepal, einem ehemaligen Mitarbeiter von Human Rights Watch sowie einem Fanvertreter. Die beiden Gäste aus Nepal schilderten damals eindrucksvoll, wie es ihnen und den anderen zahlreichen Gastarbeitern in Katar ergangen ist. Die Schilderungen wurden durch die Erfahrungen von Human Rights Watch zusätzlich untermauert.

Wir hatten auch gehofft, mit Mitarbeitern des FC Bayern darüber zu diskutieren, welchen Beitrag Vereine und Fans leisten können bzw. müssen. Schließlich wurde noch am 10. Januar des vergangenen Jahres auf der vereinseigenen Internetpräsenz "ein direkter Dialog", "in den stellvertretend FC Bayern Fans eingebunden werden können", angekündigt. Allerdings blieb unsere Einladung unerwidert und der Platz des FC Bayern somit leer.

Im Vorfeld der Podiumsdiskussion gab es zudem ein Treffen im Rathaus mit Stadträten verschiedener Parteien. Daraufhin forderten diese im März 2020 den Oberbürgermeister Dieter Reiter per Antrag dazu auf, sich in seiner Funktion als OB und Verwaltungsbeirat des FC Bayern, dafür einzusetzen, dass unser Verein das Emirat Katar u.a. öffentlich auffordert, detaillierte Daten zu Todesfällen von migrant workers zu veröffentlichen und unabhängig aufzuklären. Außerdem müsse man sich in einer schriftlichen Selbstverpflichtung zur Einhaltung von Menschenrechtsstandards, auch in Geschäftsbeziehungen, bekennen, so die Forderung der Stadträte.

Ein positives Beispiel in dieser Hinsicht stellt der FC Liverpool dar. Im Nachgang zur Klub-WM 2019 (ebenfalls in Katar) veröffentlichte der Klub ein Statement, das als Eckpfeiler der Werte des Vereins dienen soll und einer Verpflichtungserklärung gleicht. Dieses beinhaltet unter anderem ein klares Bekenntnis zum "modern slavery act", der sich gegen Missstände wie Ausbeutung und Sklaverei innerhalb der gesamten Lieferkette richtet und mit welchem der Klub sich selbst und alle seine direkten Partner und Sponsoren dazu verpflichtet, sich an diese Mindeststandards zu halten und kontinuierlich zu überprüfen.

Leider war und ist nichts Vergleichbares von unserem Verein zu hören. Wir fordern daher den FC Bayern dazu auf, sich an seine Zusagen zu erinnern und den versprochenen Dialog endlich aufzunehmen.

Im Vorfeld dieser Stellungnahme haben wir uns nochmals mit migrant workern und Fachleuten zu der aktuellen Situation ausgetauscht. Trotz leichter Verbesserungen in manchen Bereichen hat sich an den grundsätzlichen Begebenheiten für die Arbeiter wenig verändert. Durch Corona hat sich die Situation der Arbeiter in Katar sogar noch einmal deutlich verschlechtert. Hunderten von ihnen wurde beispielsweise versprochen, man würde sie zum Corona-Test bringen. In Wirklichkeit aber wurden sie ohne Test festgenommen, in überfüllte Strafanstalten gesteckt und anschließend illegalerweise abgeschoben – nicht selten, ohne ihren Lohn zu erhalten und ohne ihr Hab und Gut an sich nehmen zu können. Auch bei der medizinischen Versorgung gibt es große Unterschiede zwischen Wanderarbeitern und "Vorgesetzten". Wie viele migrant workers an Corona verstorben sind, ist mangels fehlender Angaben der katarischen Regierung nicht bekannt.

Trotz der wiederholten Ankündigung der Abschaffung des Kafala-Systems vom letzten Herbst - mit zehn Jahren nach der WM-Vergabe an Katar reichlich spät – bleiben viele Zweifel, vor allem weil die Vergangenheit gezeigt hat, dass die neuen Gesetze kaum angewendet werden. Und nach Ansicht von Experten wie z.B. Amnesty International bleiben auch weiterhin ausbeuterische Elemente des Kafala-Systems bestehen.

Außerdem protestierten bereits nach wenigen Wochen die Arbeitgeber, die nun nicht mehr gänzlich über die Wanderarbeiter hätten verfügen können. Konsequenz daraus war, dass zunächst das ministerielle Formular, über welches migrant workers einen Jobwechsel beantragen konnten, nur noch schwerlich erreichbar war, während nun de facto ein sogenannter "resignation letter", welcher der Zustimmung und Unterschrift des Arbeitgebers bedarf, von Nöten ist. Der Jobwechsel wurde also wieder deutlich erschwert. Mittlerweile raten sogar die Botschaften aus den Herkunftsländern der migrant workers dazu, einen Jobwechsel nur dann zu beantragen, wenn Gefahr für das eigene Leben bestehe. Solange dies nicht der Fall sei und die Arbeiter Gehalt empfangen, solle der Antrag auf Wechsel des Arbeitsverhältnisses vorsichtshalber nicht gestellt werden.

Auch das Thema der Anwerbung der Wanderarbeiter steht weiterhin in der Kritik. Hierbei werden die Arbeiter in ihren Heimatländern mit falschen Versprechungen und gegen Zahlung einer hohen Gebühr (der sogenannten "recruitment fee") von ca. 2.000 € nach Katar gelockt. Die Regierungen Katars und der betroffenen Heimatländer unternehmen nicht nur viel zu wenig gegen diese Praxis, sie hat sich durch Corona sogar noch verschlimmert. Aktuell gibt es in Katar deutlich weniger Arbeit als vor Corona – dies nutzen die Anwerber aus und verlangen noch höhere Gebühren als zuvor. Derzeit werden Arbeiter angeworben, die für die katarischen Sicherheitsbehörden arbeiten sollen. Diese vermeintlich attraktiven Jobs lassen sich die Vermittler noch teurer bezahlen, bis zu 5.700 € kostet einen Wanderarbeiter ein Arbeitsplatz im Sicherheitsapparat in Katar. Der Staat Katar schiebt dabei die Verantwortung an die jeweiligen Herkunftsländer ab und weigert sich somit, gegen diese illegale Praxis vorzugehen.

Der FC Bayern als weltweit bekannte Größe hätte diesbezüglich die Möglichkeit, gegenüber dem Staat Katar einer Abschaffung dieser und der weiteren menschenverachtenden Gegebenheiten den nötigen Nachdruck zu verleihen. Die Partnerschaften mit dem Hamad International Airport und Qatar Airways, beiderseits vollständig in Hand des Emirats Katar, erfordern zudem umso deutlicher eine unmissverständliche Ablehnung solcher Praktiken. Wie Präsident Hainer letzte Woche anlässlich des "Nie wieder!"-Erinnerungstages noch einmal deutlich machte, "blickt der FC Bayern nicht nur auf eine lange, sportlich erfolgreiche Tradition zurück – sondern er ist seit seiner Gründung vor nun fast 121 Jahren auch für seine tolerante und liberale Weltanschauung bekannt". Karl-Heinz Rummenigge ergänzte, "dass unsere Fans diese Weltanschauung teilen" und so sollte es eine absolute Selbstverständlichkeit sein, sich als FC Bayern (ähnlich wie der FC Liverpool) zu den Menschenrechten zu bekennen und zu verpflichten.

Dieser Meinung sind auch die beiden nepalesischen migrant workers, die wir letztes Jahr im Rahmen der Podiumsdiskussion als Gäste begrüßen durften und die wir nochmal nach ihren Erwartungen und Wünschen fragten. Vom FC Bayern würden sie erwarten, dass sich die Vereinsoffiziellen auch Erfahrungsberichte von Wanderarbeitern persönlich anhören und nicht nur die der staatlichen Stellen. Nur durch direkten Kontakt mit tatsächlichen Betroffenen, könne man sich ein Bild von der Realität machen. Wenn der Verein es wirklich schaffen sollte, sich in Katar für die Rechte von Wanderarbeitern einzusetzen und damit grundlegende Reformen anzustoßen, würde er als Best-Practice-Beispiel in der Welt vorangehen können und allen zeigen, dass ihm Menschen- wie auch Arbeiterrechte tatsächlich am Herzen liegen.

Die passende Zusammenfassung lieferten sie gleich mit:

"Football has the power to bring people together, but it's vitally important that we, as fans, be informed about how the game we love is brought to us."

Am Ende täten wir gut daran, uns als FC Bayern diesen Satz stets in Erinnerung zu rufen.

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