Mit viel Geld und Aufwand bestätigen der DFB und die Daniel-Nivel-Stiftung die Vorurteile nicht dialogbereiter Fussballfans.

Das Verhältnis von Fußballfans und Ordnungshütern ist ungefähr schon so lange angespannt, wie es Fußball und Fans gibt. Dass dabei eine Jugendkultur wie die Fussball-Ultras keine besonders innige Freundschaft mit der Polizei pflegt, darf auch nicht verwundern. Trotzdem lohnen sich Bemühungen, einen Zustand zu verhindern, wie er in einigen Teilen Europas zu erleben ist: eine auf beiden Seiten tief verwurzelte und zum Teil offen gelebte Feindschaft zwischen Polizei und aktiven Fußballfans.

Die Daniel Nivel-Stiftung lud deshalb im Herbst/Winter 2015/16 zu mehreren mehrtägigen "Ideenwerkstätten" bzw. Workshops ein, bei denen Polizisten und Fans in angenehmer Atmosphäre Ideen für ein besseres Miteinander entwickeln sollten.

Von Seiten des Club Nr. 12 waren drei Teilnehmer bei der Ideenwerkstatt in Nürnberg vor Ort. Mit einem Jahr Abstand möchten wir jetzt ein Fazit ziehen und dabei auch erklären, warum wir uns damit so lange Zeit gelassen haben.

Bereits im Jahr 2009 wurde das erste Mal eine Ideenwerkstatt von DFB und Daniel-Nivel-Stiftung in Karlsruhe ausgetragen. Den Veranstaltern war es damals gelungen, je 40 Fans und Polizisten an einen bzw. viele runde Tische zu bekommen. Bei der Auswahl der Teilnehmer bewiesen die Organisatoren ein glückliches Händchen. Auf beiden Seiten waren viele einflussreiche Vertreter vor Ort und das Ergebnis war der ansonsten so oft vermisste Dialog auf Augenhöhe.

Bei Fans und Polizei sorgte die Veranstaltung für zahlreiche positive Aha-Erlebnisse, wie z.B. der Auftritt des Einsatzleiters aus einer bayerischen Großstadt: Dieser konnte sich überhaupt nicht mit dem vorsichtig vorgebrachten Vorschlag der Fanseite für eine individuelle Kennzeichnung von Polizisten mittels Zahlenkombinationen erwärmen. Stattdessen hielt er vor den verdutzten Fanvertretern ein flammendes Plädoyer für eine offene Kennzeichnung mit Namensschildern, da jeder Bürger aus seiner Sicht das Recht hätte zu erfahren, wer ihm in Uniform gegenübersteht.

Als einzigen Kritikpunkt konnte man die gefühlt geringe Nachhaltigkeit der Veranstaltung bemängeln. Die Abschlussberichte landeten in den Regalen von Fanprojekten, Fanforschern und DFB. Von einer Fortsetzung des begonnenen Dialogs aber konnte die Fanseite wenig bemerken. Stattdessen haben sich die Fronten in den folgenden Jahren immer weiter verhärtet.

Die Ausgangslage zur Neuauflage der "Ideenwerkstätten” vor rund einem Jahr war somit erheblich schwieriger als bei den ersten Gesprächen im Jahr 2009 und es hätte klar sein müssen, dass es deutlich komplizierter geworden war, die Protagonisten der Fanszenen an einen Tisch mit der Polizei zu holen. Sehr überraschend kam deshalb, dass man die Veranstaltung von einem Wochenende auf einen Termin unter der Woche verlegte.

Dies mag für die Beamten und Funktionäre, die die Ideenwerkstatt in ihrer Dienstzeit besuchten, sehr angenehm gewesen sein. Dass die Fussballfans auf der Gegenseite Urlaubstage opfern mussten, schien bei der Entscheidungsfindung keine große Rolle zu spielen.

Der Club Nr. 12 erhielt erst sehr kurzfristig eine Einladung, die daraufhin kontrovers diskutiert wurde. Während man dem Veranstaltungskonzept auf Seiten der älteren Fans – auch aufgrund der positiven Erfahrungen aus Karlsruhe – sehr offen gegenüberstand, wurde eine Teilnahme von Seiten der jüngeren, ultraorientierten Fans strikt abgelehnt. Die Begründung hierfür reichte von den bekannten Reflexen wie "Ultras reden nie mit Bullen!" bis hin zu differenzierten Aufwand-Nutzen-Überlegungen.

Viele Ultras vertraten die Auffassung, dass solche Veranstaltungen in erster Linie als Aufhänger für öffentlichkeitswirksame Pressekonferenzen angelegt sind, bei der sich der DFB und die Daniel-Nivel-Stiftung als Verfechter des Dialogs präsentieren, während man tatsächlich überhaupt nicht an einem ernsthaften Dialog interessiert ist. Somit wäre von vornherein absehbar, dass durchaus gute, denkbare Ansätze der "Ideenwerkstatt” spätestens mit dem Abdrucken in einem Abschlussbericht in der Sackgasse enden, um dann wieder in den Regalen von Fanforschern Staub anzusetzen.

Schließlich meldete der Club Nr. 12 zur Freude der Organisatoren drei Teilnehmer an. Ein Vertreter der Ultras war jedoch nicht dabei. Beim Eintreffen in Nürnberg sorgte der Blick auf die Teilnehmerliste für die nächste Ernüchterung: obwohl die Veranstaltung für die Fussballszene aus ganz Süd- und Ostdeutschland angelegt war, gelang es den Veranstaltern nicht, auch nur einen Vertreter einer großen Ultra-Gruppe für die Teilnahme zu gewinnen. Das Verhältnis von Fans zu Polizei betrug etwa 1:4, was dazu führte, dass in manchen Arbeitsgruppen ein einzelner Fan sieben oder acht Polizeibeamten gegenüber saß. Auch bei der Auswahl der Teilnehmer seitens der Polizei war ein deutlicher Unterschied zur Premiere in Karlsruhe zu bemerken. Nicht wenige der Ordnungshüter waren nach unserem Empfinden in erster Linie daran interessiert, ein paar stressfreie (Dienst-)Tage in einem Vier-Sterne-Hotel zu verbringen und sich dabei gegenseitig die aus ihrer Sicht negativen Auswüchse der Ultrakultur in ihrem Zuständigkeitsbereich zu bescheinigen.

Trotz dieser unvorteilhaften Voraussetzungen wurde nach unserem Eindruck in den meisten Arbeitsgruppen ein konstruktiver Dialog in Gang gesetzt. Wie vom Veranstaltungskonzept vorgesehen, wurden auch durchaus sehr interessante "Utopien" und Ideen entwickelt. Dass dabei auch so manche, eher unrealistischen Idee erarbeitet wurde, wie z.B. der Vorschlag, die Polizei könne doch mal die Fans mit einer eigenen Pyroshow vor der Kurve überraschen, sorgte wie schon in Karlsruhe für eine unverkrampfte und positive Gesprächsatmosphäre.

Um den gemeinsam entwickelten Ideen die Chance zu geben, auch außerhalb der erwähnten Fanforscher-Regale weiterzuleben, wurde auf Anregung der Fans das Konzept der Veranstaltung wie folgt weiterentwickelt: Nach der Abschlusspräsentation aller entwickelten Ideen konnten sich alle Teilnehmer in Listen zu den verschiedenen Projektvorschlägen eintragen und sich damit für eine freiwillige Weiterarbeit an der Umsetzung der aus ihrer Sicht interessantesten oder vielversprechendsten Ideen melden. Damit hätten sich gemischt besetzte Arbeitsgruppen bilden können, deren Teilnehmer eine konkrete Idee für einen besseren Umgang zwischen Fans und Polizei weiter verfolgt hätten. Mit Unterstützung des DFB – so der Plan auf der Abschlussveranstaltung – hätten die Arbeitsgruppen in den folgenden Monaten gemeinsam an der Umsetzung der Ideen in die Realität gearbeitet.

Zu unserer großen Enttäuschung blieb dies jedoch nur Theorie. Die Organisatoren des Kongresses waren und sind anscheinend nicht willig oder in der Lage, den vereinbarten Kontakt zwischen den Teilnehmern aufrecht zu erhalten oder herzustellen, um die geplante Weiterarbeit der Arbeitsgruppen zu ermöglichen.

Der Club Nr. 12 hat in den vergangenen zwölf Monaten FÜNF mal bei den Organisatoren – der Daniel-Nivel-Stiftung und dem DFB nachgehakt – FÜNF Mal wurden wir vertröstet. Nachdem inzwischen über ein Jahr vergangen ist, ziehen wir nun einigermaßen fassungslos einen Schlussstrich unter unsere Bemühungen. Es ist den Veranstaltern in zwölf Monaten nicht einmal gelungen, die angegebenen E-Mailadressen zwischen den Teilnehmern auszutauschen, die gemeinsam den Dialog fortsetzen wollten.

Die Ultras, die die Veranstaltung von Anfang an sehr skeptisch eingeschätzt hatten, haben offensichtlich Recht behalten. Letztlich wurde mit den Veranstaltungen sehr viel Geld und Zeit vergeudet. Was aus unserer Sicht jedoch noch schlimmer wiegt: All diejenigen, die Bemühungen um einen besseren Dialog für sinnlos erachten, dürfen sich in ihrer Position bestärkt fühlen.

Nachtrag: Am Abend des 23.1.2017 wurde von den Organisatoren der Ideenwerkstatt per E-Mail der Kontakt zwischen den Mitgliedern der Arbeitsgruppen hergestellt.

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